Partnerschaft — Wie geht das?
Auf meinem Weg zu mir selbst finde ich schließlich meinen Traummann. Nach acht Monaten ziehen wir zusammen. Ich habe mein Ziel erreicht: Ein Mann, eine Wohnung, eine gemeinsame Zukunft. Klein, fein, überschaubar. Ein Nest zum Kuscheln und zum Genießen. So, wie ich es mir immer erträumt habe.
Paul studiert Naturwissenschaften. Ich studiere Geisteswissenschaften. Paul sitzt am einzigen Schreibtisch im gemeinsamen Wohn-Schlafzimmer. Paul lernt. Ich koche. Paul hat seine Schulzeit in einem Halbinternat verbracht. Ich habe meine Schulzeit in einem Gasthaus, an einem Teich und in der Disco verbracht. Paul hat Disziplin. Ich habe Paul. Paul sitzt am Schreibtisch mit dem Gesicht zur Wand. Paul hat einen gesunden Schlaf. Am besten scheint Paul zu schlafen, wenn ich neben ihm wachliege. Am schnellsten scheint er einzuschlafen, wenn ich etwas besprechen will.
Schon nach einigen Monaten fühle ich mich wie eine Löwin im Käfig. Mit gesenktem Haupt streiche ich durch die Vierzig-Quadratmeter-Wohnung, während Paul noch immer oder schon wieder am Schreibtisch sitzt. In mir brodelt und kocht es. „Was mache ich hier? Warum kann ich das nicht genießen?“, frage ich und kritisiere mich selbst: „Das wolltest du doch immer haben!“
Zwischen dem, was ich will, und dem, was ich mache, klaffen Welten. Außerdem verstehe ich absolut nicht, warum ich mich jetzt, wo ich endlich habe, was ich wollte, schlecht fühle. „Wie geht das denn? Was ist los mit mir?“, frage ich mich und komme keinen Schritt weiter.
Paul arbeitet an der Uni. Ich arbeite an der Beziehung. Meine Nächte werden länger, meine Tage kürzer. Ich bin zornig… Ich bin traurig… Ich will diskutieren. In der Nacht, denn da hat Paul nichts zu tun. Ich wecke ihn. Ich rede… Er hört zu. Ich will erklären und kenne mich nicht aus. Ich erkläre trotzdem. Paul versteht nicht, weil ich nicht verstehe. Paul schläft ein. Ich weine. Ich wecke ihn. Ich …. rede. Er…. hört zu.
Außerhalb meines Gedankenkäfigs entstehen Wohngemeinschaften, Beziehungsexperimente boomen. Auf der Uni und in diversen Arbeitskreisen ziehen mich Themen wie „Freie Liebe“ und „Frauenemanzipation“ in ihren Bann. Die Spannung zwischen der Maria, die die Welt verändern will, und der Maria, die sich im vermeintlichen Beziehungshimmel befindet, ist körperlich kaum mehr auszuhalten. „Ich muss heraus aus dieser Wohnung, bevor ich explodiere oder verrückt werde. Ich muss riskieren, dass sich Paul von mir trennt“, denke ich mir wieder und wieder … und bleibe stumm. Und dann, endlich, platzt es eines Abends aus mir heraus: „Ich will weg!!! Ich will in eine Wohngemeinschaft!“ „O.k.“…, sagt Paul, „wo ziehen wir hin?“
Aus dem Buch „Mein Weg zu mir selbst“, Ich-Erfahrungen, Maria Färber-Singer 2014